Mittwoch, 24. März 2010

Championade

Was endlich die Hauptsache, das Trinken des edlen Weines anlangt, so stehen sich in diesem Punkt eine englische und eine französische Schule ziemlich schroff gegenüber. Die Franzosen nehmen ihren Crémant nur zum Dessert und befinden sich dabei um so besser, da der Champagner in diesem Falle dank seiner lieblich erregenden Wirkung einen verklärenden Schimmer auf die ganze Sitzung wirft und zum Schluss noch jedem Tischgenossen die Möglichkeit bietet, sich von seiner vorteilhaften Seite zu zeigen und dann heiteres Sinns von der Gesellschaft zu scheiden. Die Engländer dagegen behaupten, der Champagner errege nach dem Mahle Übelkeit (was man bei dem Stande ihrer Kochkunst ohne Weiteres glauben darf), und servieren ihn daher seit etwa einem Menschenalter gleich von Anfang der Mahlzeit neben jedem Gerichte. Der wahre Grund der Abweichung vom französischen Brauche ist gedoch geplanter Natur: die englischen Damen verlassen bekanntlich unmittelbar nach dem letzten Gang den Tisch und würden also um den ruhigen Genuss des Champagners kommen, wenn derselbe ausschließlich zum Dessert erschiene.
(Appetit Lexikon 1894)

Nach meinem Abstecher in das nachkarnevalistische Köln am Sonntag muss ich sagen: Junge Junge, die Zeiten haben sich geändert!

3 Kommentare:

Falcon hat gesagt…

Ich hab auch nicht den Eindruck, dass sich die heutige Damenwelt durch ein schlichtes "Ihr dürft jetzt aufstehen" noch vom Alkohol fernhalten ließe - Köln mag da aber auch ein besonders drastisches Beispiel sein.

Meise hat gesagt…

Wie jetzt? Die hatten direkt nach dem Dessert den Tisch zu verlassen? Warum, wozu? Spülen mussten die Damen doch sicherlich nicht.
Oder räumten sie freiwillig das Feld, weil die Herren der Schöpfung ihre Zigarren anzünden mussten? Wobei... wurden die nicht in der Bibliothek gereicht?
Nunja. Ich muss mich da nicht auskennen. Bin ja keine Dame. ;)

unkita hat gesagt…

@falcon: Nein, lieber Her Falcon, die Zeiten sind vorbei. Und in Köln wird bereits vor der Mahlzeit an der Frittenbude in der U-Bahn das Bier geöffnet.

@Meise: Dies ist in der tat ein Rästel. Vielleicht hatten ja einige keine Bibliothek und die Zigarre musste bei Tisch geraucht werden.