Mittwoch, 5. September 2007

Ein Wort zur Öffentlichkeit

Ich treibe mich ja oft in Wartebereichen der Bundesbahn auf, trinke Coke Zero und stelle mir vor wie es wäre, ein cooler Typ zu sein. Das wird dann aber schnell so langweilig, dass ich den Gesprächen der Nachbarn zuhöre. Meist braucht man gar nicht zu lauschen, denn es wird laut genug gesprochen. Es muss wohl ein ähnliches Phänomen sein, wie das bei der Gruppe der An-der-Ampel-nasepopelden Autofahrer. Die scheinen zu glauben, weil sie hinter einer Scheibe sitzen, sieht man sie nicht. Im Wartebereich glaubt man offenbar, man wird nicht gehört.

Was! man da allerdings hört, ist (in letzter Zeit) immer intimer. Da werden Gehaltsverhandlungen geführt - oder es wird von den billigen Damen in ... erzählt. Auch macht man sich vor versammelter Mannschaft gern mal über den gerade aufgebrochenen Geschäftspartner lustig. Die intimen Gespräche werden dann im Zug (häufig per Handy), in der Kaffeebar oder sonstwo öffentlich fortgeführt. Zu fortgeschrittender Stunde kann es dann auch etwas derber werden.

Manchmal frage ich mich, woran es liegt, dass heute über sehr persönliche Dinge vor allem in der Öffentlichkeit geredet wird. Haben die Leute keine Freunde? ist es ihnen egal, wenn alle zuhören oder wollen sie es gar? Irgendwelche Antworten?

12 Kommentare:

Darth Puma hat gesagt…

Ich denke, diese extrovertierten Menschen sind einfach zu selbstverliebt und egoistisch, um zu bemerken, dass sie andere mit ihren Gesprächen nerven und stören.
Zudem bemerke ich leider immer mehr, welch schlechte Erziehung doch viele Mitbürger haben.

Hazamel hat gesagt…

Mein persönliches Highlight in der Richtung war neulich die Diskussion zweier Pärchen in der Bahn bei wem sie den Vierer veranstalten.
Aber ich muss dir recht geben... irgendwie hat das Handy das schlimmer gemacht

unkita hat gesagt…

@puma: Es muss ja nicht gleich Knigge mäßig sein, aber gerade in der Bahn kann man in der Tat viel über Manieren mancher Mitfahrenden lernen.

@hazamel: Gut dass sie nicht gleich vor Ort angefangen haben. ;-)

Springfloh25 hat gesagt…

Ich glaub, es ist uns egal - wenn für mich und meinen Gesprächspartner das Setting paßt, dann ist das drumherum egal. Wobei ich allerdings zugeben muss, dass so herrlich intime Dinge nur ganz selten an öffentliche Orte passen - das passiert mir allenfalls mit meiner Süßen in nem Cafe oder in einer Kneipe. Da müßte man dann allerdings verdammt die Ohren spitzen um Bruckstücke der Frauengespräche mitzubekommen.

Falcon hat gesagt…

Auch wenn das jetzt vielleicht unglaublich lehrerhaft klingt - alle Welt ist es doch mittlerweile gewohnt, ihr Leben öffentlich zu leben.
Das geht mit solchen Dingen wie Youtube und Myspace los, auf denen man sich selbst und sein Leben möglichst detailliert präsentiert (manche Blogs übrigens genau so), geht weiter über den krampfhaften Versuch mancher, wenigstens irgendeinen Schwachsinn zu produzieren, der sie ins Fernsehen bringt und endet (im Moment) damit, dass man, wenn das alles nicht funktioniert, wenigstens die anderen Mitreisenden in der Bahn über sein Hämohorridenproblem oder die sexuellen Vorzüge seiner aktuellen Lebensabschnittspartnerin gegenüber der bisherigen aufklärt.
Ich finde es auch furchtbar, komm aber als nicht regelmäßiger Bahnnutzer glücklicherweise meistens noch drum herum.

Julchen hat gesagt…

Ich denk mir so oft: "Neeeeiiiinnnm viel zu viel Information!!! Will ich nicht wissen!!!" Und leider nicht nur bei Fremden sondern auch bei Bekannten die mir eklige Sachen erzählen... uaahhhhh

Anonym hat gesagt…

Da kommt mir doch ganz spontan dieses Lied hier in den Sinn...

unkita hat gesagt…

@floh: Mir geht es eher um die Leute, die (so scheint es mir) die Öffentlichkeit als Bühne zur Selbstdarstellung nützen. Und gegen ein Frauen- oder Männergespräch in der Kneipe ist nun auch nichts zu sagen, solange man kein Megaphon dabei hat.

@falcon: Hast schon Recht. Aber Youtube, diversen Blogs und Fernsehshows entkommt man ja (Gott sei Dank) mit einem kühnen Griff zu "Ausknopf". Im Wartesaal etc. muss man schon aktiv die Flucht ergreifen. Es geht mir dabei auch weniger um sowas wie Pietät (harhar, Hamburg-Wilhelmsburg war da eine gut Schule). Vielmehr bin ich genervt, wenn ich gezwungen werde, mir die intimsten Dinge anzuhören. Was den Hinweis zu den Blogs betirfft, in denen wir so unser Leben in Teilen ausbreiten, hast du natürlich recht. Ist auch was, um sich mal Gedanken drüber zu machen.

@julchen: Bei Freunden kann man doch meist ein freundliches "Bitte keine weiteren Details!" einwerfen oder?

@adda: Jepp, dass passt

Springfloh25 hat gesagt…

Andererseits:
was spricht denn gegen ein Leben in der Öffentlichkeit? Die Welt ist meine Bühne, ich bin der Star - warmu eigentlich nicht?
Werd mal drüber nachdenken, ob ich das für mich umsetzen könnte.

rotfell hat gesagt…

Wahrscheinlich denken die Menschen, daß sie die anderen drumherum Stehenden oder Sitzenden eh niemals wiedersehen und deswegen offen plappern können.

Lou hat gesagt…

Wie kann man beim "zwangszuhören" Coke Zero trinken... wobei es eher heißen müsste wie kann man überhaupt das nur trinken :-)

unkita hat gesagt…

@floh: Ja in Bonn geht das. Da war ja schließlich auch schon mal die Bühne der politischen Welt.

@fell: Da ist was dran. Aber da gibt es doch so einen Spruch, dass man sich im Leben immer zweimal...

@lou: Das war doch nur ne Metapher... oder ne Metonymie... halt sowas.