Montag, 5. Februar 2007

Wie die Mutter

Meine Mutter war den größten Teil ihres Lebens Hausfrau und eine erfahrene Köchin. An Feiertagen war es für sie kein Problem, eine Ente oder Gans zuzubereiten und diese in Keule, Flügel und Brustscheibchen zerteilt, warm mit allerlei Zutaten für 6 Personen auf den Tisch zu bringen. Wer schon mal einen Vogel zerteilt hat, ohne sich mit der Anatomie besonders gut auszukennen weiß, dass das nicht ganz leicht ist.

Wenn es für die Kernfamilie, die aus Mutter, Vater, Kind bestand, mal etwas Besonderes geben sollte, war dies meist Rumpsteak. Als Beilage gab es Kartoffeln und Röstzwiebeln. Die heute in Restaurants dazu verzehrten Kartoffelgratins, Pommes, Brokkoliröschen und Eisbergsalate waren zu der Zeit noch außerhalb des kulinarischen Denkens. Im Prinzip war dieses Rumpsteak also keine allzu große Meisterleistung. Sogar die Vorliebe für den Durchgarungsgrad war bei uns identisch. Das Steak sollte "medium" sein. Medium lässt nach oben oder unten eigentlich relativ viel Spielraum, den mein Vater und ich auch durchaus zu tolerieren bereit waren. Nicht so meine Mutter.

Kaum war das Essen auf dem Tisch und der erste Bissen noch nicht im Mund, verzog sie fast jedes Mal das Gesicht und fing an aufgewühlt auf unseren Fleischstücken herumzudrücken, bemerkte, dass diese ja (wahlweise) noch völlig roh oder völlig "durch" seien und war dabei den Tränen nahe. Die verschärfte Variante bestand darin, die angeblich zu rohen Steaks noch einmal vor den hungrigen Männern in die Pfanne zu werfen und dann wirklich etwas zu sehr durch, nochmals zu servieren. Danach war ihre Stimmung dann auf dem absoluten Nullpunkt. Vater und Sohn machten dann hin und wieder den Fehler, sich über die Situation lustig zu machen. Danach glitt die Stimmung in den Minusbereich!

Früher habe ich das nicht verstanden. Heute glaube ich, meine Mutter hatte sich bei dem Wunsch es perfekt zu machen, selbst viel zu stark unter Druck gesetzt. Die Versorgung ihrer beiden Männer war ihre Aufgabe und die wollte sie zu ihrer Zufriedenheit lösen. Einen größeren Fehler als das nicht ernst zu nehmen, hätten wir also gar nicht machen können.

Warum ich das weiß? Manchmal, wenn mein Weib das halbe Wochenende weg ist, will ich sie, wenn sie wieder heim kommt, mit einem besonders raffinierten Essen empfangen.

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